"Symptome können als Wegweiser zum Glück verstanden werden, wenn ihre Botschaften erkannt und umgesetzt werden. Sie können auch als Warnhinweise gedeutet werden, die zeigen, wo es gefährlich wird. So könnten sie uns zu guten Freund/inn/en werden, die uns ein Stück auf unserem Weg begleiten."
Klaus Mücke
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Theoretische Grundlagen
Gesundheit, Krankheit, Probleme und Lösungen sind innerhalb eines sozialen Kontextes zu verstehen
Die systemische Therapie ist eine Form der Psychotherapie, die Gesundheit und Krankheit des Menschen im Zusammenhang mit interpersonellen Beziehungen in relevanten Bezugsgruppen – das Ehepaar, die Familie, eine Schulklasse, ein Unternehmen usf. – sieht. Sie berücksichtigt die Vernetzung des Menschen mit seinen relevanten Umwelten und betrachtet seelische Beschwerden im Kontext von interpersonellen Konflikten.
In Bezugsgruppen oder „Systemen“ sieht die systemische Therapie nicht nur Potential für Spannungen und Konflikte, sondern auch Ressourcen. Sie sind Orte der Sicherheit und Zuflucht, bieten Unterstützung und Orientierung und stoßen Lern- und Wachstumsprozesse an. Auf Systemen aufbauend können dann laut dieser Denkweise einzelne Mitglieder Fähigkeiten und Stärken als auch Verhaltensstörungen entwickeln.
Zeigt ein Mitglied eines Systems Verhaltensweisen (hier werden auch alle verbalen und non-verbalen Kommunikationsformen mit eingeschlossen), die sich von der Systemnorm (allgemeine Regel für was als „sozial akzeptabel“ gehalten wird) abweicht, so wird der Betroffene als „problematisch“, „krank“, als sogenannter „Symptomträger“ für das Gesamtsystem betrachtet. Dies mündet wiederum öfters in privaten Konflikten mit dem Partner und Familienangehörigen, in wiederkehrenden Problemen mit Vorgesetzten, KollegenInnen, Kunden usw.
Diese Konflikte funktionieren wiederum als Rückmeldung für Mitglieder des Systems und je nach individueller Deutung stärken oder schwächen persönliche Sichtweisen und Verhaltensweisen. Symptome treten dann auch dementsprechend ausgeprägter oder abgeschwächter auf. Der Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeut Paul Watzlawick veranschaulicht dies anhand folgender Metapher: Eine Frau schimpft mit ihrem Mann, dass er zu viel trinkt, und der Mann trinkt, da seine Frau mit ihm schimpft.
Jede Verhaltensweise eines einzelnen System-Mitglieds ist immer durch die Verhaltensweisen von anderen mitbedingt und wirkt sich gleichzeitig auf die Verhaltensweisen der anderen Systemmitglieder aus. Störende Verhaltensweisen auch solche pathologischer Art haben laut dieser Sichtweise keine einfachen Ursachen, die in angeborenen (krankhaften) Charakterzügen zu finden sind, sondern sind Ausschnitte von Interaktionsprozessen an denen alle Mitglieder eines Systems beteiligt sind. Genauso sind „Probleme“ nicht einfach auf bestimmte Ursachen zurückzuführen, sondern sind das Ergebnis eines Übereinstimmungsprozesses des Systems, dass etwas als Problem zu sehen und zu behandeln ist.
In diesem Sinne so Steve de Shazer kann man Probleme in ihrer Entstehung als das Ergebnis von „problem talk“ (das Reden über Probleme) sehen. Genauso kommen aber auch Lösungen zustande – „solution talk“ (das Reden über Lösungen) innerhalb eines Systems ermöglicht der Kreation von Lösungen:
"Problemsprache schafft Probleme - Lösungssprache schafft Lösungen."
Steve de Shazer- Developer
Es gibt keine einzige Wirklichkeit, sondern viele unterschiedliche Wirklichkeiten
Haltung und Menschenbild in systemischer Psychotherapie und Coaching
Die psychotherapeutische Haltung bietet Leitlinien für die psychotherapeutische Handlung an und für das Menschenbild eine Brille, durch die Menschen und letztendlich KlientInnen gesehen werden. Systemische Psychotherapeut:Innen sind sehr an den „Landkarten“ (Sicht der Welt) anderer Menschen interessiert.
Sie legen Wert auf Neutralität bzw. Allparteilichkeit im Umgang mit den verschiedenen Mitgliedern eines Systems. Sie behandeln den Menschen respektvoll und wertschätzend, konfrontieren allerdings festgefahrene Ideen und Konzepte eines Systems und stellen sie in Frage. Diese Werte werden hier jetzt ausführlich behandelt.
Im Vordergrund des systemischen Therapieansatzes steht die Sichtweise auf die Fähigkeiten und Ressourcen des Menschen und nicht auf die Defekte oder Defizite. Der systemische Ansatz geht davon aus, dass jede Verhaltensweise (im richtigen) Kontext einen gewissen Sinn und eine Funktion hat und kann unter diesen Umständen als Kompetenz gesehen werden. Ein Burnout-Verlauf kann zum Beispiel oft so verstanden werden, dass es an einem „zu viel des Guten“ – Einsatz, Qualitätsanspruch, Sorge usw. – liegt. Die gleichen Ressourcen können allerdings in dem Kontext „Gesundheit“ genauso eingesetzt werden, so nach dem Motto, für die eigene Gesundheit einsetzen, Qualitätsansprüche auf die eigene Gesundheit haben, Selbst-Fürsorge pflegen usw.
Der Mensch wird also als kompetent gesehen und als Experte für das, was ihn gut tut. Therapie findet daher auf Augenhöhe statt – zwischen zwei Experten, die miteinander arbeiten – und auf der Basis von gegenseitig-definierter Kooperation. In diesem Sinne werden Ziele, Aufträge und Arbeitsbedingungen gemeinsam vereinbart und darauf ausgerichtet, dass sich KlientInnen verstanden, respektiert und in ihren Erwartungen und Zielen ernst genommen fühlen.
Interesse und Neugier
Systemische Ansätze versuchen die verschiedenen Wirklichkeiten von Systemmitgliedern sowie deren Auswirkungen auf soziale Beziehungen beleuchten. Systemmitgliedern sollen dabei unterstützt werden, ihre individuelle Wahrnehmung der Realität zu erkennen, um darüber reflektieren zu können.
Systemische Therapeuten legen daher viel Wert auf Neugier, denn um herauszufinden in welcher Wirklichkeit KlientInnen leben, muss man sich dafür interessieren. Der systemische Therapeut versucht „nicht zu schnell zu verstehen“, das heißt nicht zu schnell zu wissen meinen, was der andere sagt. Wichtig ist hier das Hinterfragen: Was meint Herr Müller, wenn er über Spannungen spricht? Wie muss ich mir das vorstellen? Wie bauen sich Spannungen auf? Gibt es Muster? Wer alle ist am Aufbau von Spannungen beteiligt?
Systemische Ansätze versuchen die verschiedenen Wirklichkeiten von Systemmitgliedern sowie deren Auswirkungen auf soziale Beziehungen beleuchten. Systemmitgliedern sollen dabei unterstützt werden, ihre individuelle Wahrnehmung der Realität zu erkennen, um darüber reflektieren zu können.
Systemische Therapeuten legen daher viel Wert auf Neugier, denn um herauszufinden in welcher Wirklichkeit KlientInnen leben, muss man sich dafür interessieren. Der systemische Therapeut versucht „nicht zu schnell zu verstehen“, das heißt nicht zu schnell zu wissen meinen, was der andere sagt. Wichtig ist hier das Hinterfragen: Was meint Herr Müller, wenn er über Spannungen spricht? Wie muss ich mir das vorstellen? Wie bauen sich Spannungen auf? Gibt es Muster? Wer alle ist am Aufbau von Spannungen beteiligt?
Nützlichkeit
Im Rahmen eines systemischen Gespräches wird versucht, das Problem sowie mögliche Lösungen so zu formulieren, damit es innerhalb des sozialen Kontextes der KlientInnen als sinnvoll erscheint. Das Kriterium für die Auswahl von Formulierungen, Arbeitshypothesen, therapeutischen Angeboten und Interventionen sind ihre Nützlichkeit und nicht ihr Wahrheitsgehalt oder Nähe zu psychologischen bzw. theoretischen Modellen.
Systemische Psychotherapeut:innen sind hier stets bemüht auf individuelles Wahrnehmen, Denken, Beschreibungen und Verhaltensweisen zu achten, die als hilfreich und nützlich (für das Erreichen der Therapieziele) erscheinen. Die Aufmerksamkeit wird daher auf das Funktionierende gerichtet, wobei es KlientInnen überlassen wird, welche Beschreibungsformen, Zielformulierungen und Lösungen für sie die Richtigen sind.
Neutralität Und Allparteilichkeit
Systemische Psychotherapeut:innen pflegen Neutralität allen Systemmitgliedern gegenüber. Das heißt, sie versuchen sich nicht auf eine bestimmte Seite zu schlagen und jemanden als gut oder schlecht, richtig oder falsch zu etikettieren.
Wenn mehrere Personen in einer (Paar- oder Familien-) Sitzung anwesend sind, sollten sich alle von dem/der Psychotherapeuten/in gleich wertgeschätzt und aufgehoben fühlen und den Eindruck bekommen, dass es hier einen neutralen und wohlwollenden Gesprächspartner gibt, der für alle da (und daher allparteilich) ist.
Wenn Psychotherapie in einem Einzelpersonenkontext stattfindet, dann hat diese Haltung den Vorteil, dass Sichtweisen, die Probleme aufrechterhalten, nicht verstärkt werden. Wird zum Beispiel über den Ehepartner gelästert, hat es zum Beispiel meistens begrenzten Wert, wenn der/die Psychotherapeut(-in) auch „mitmacht“.
Neutralität gibt es auch gegenüber Ideen, Konzepten, Lösungen, Erzählungen usf.. So versuchen systemische PsychothertapeutInnen das, was KlientInnen erzählen, nicht in gut oder schlecht zu unterteilen, sondern mit KlientInnen gemeinsam zu explorieren, ob diese Ideen, Konzepte oder Erzählweisen für KlientenInnen nützlich und zieldienlich erlebt werden oder eher als wenig förderlich und nicht konstruktiv.
Ablauf und Settings der systemischen Therapie
Ablauf und Settings von systemischer Therapie und Coaching
Interventionen und Techniken von systemischer Therapie und Coaching
Die systemische Therapie ist sehr vielfältig und bedient eine breite Anzahl an Techniken. Um Ihnen einen Einblick zu ermöglichen, werden einige diese Techniken hier kurz beschrieben.
Fragetechniken und Gesprächsführung
Zirkuläre Fragen
Skalierungsfragen
Herausarbeiten der positiven Aspekte von problematischen Verhaltensweisen
Reframing
Paradoxe Interventionen
Metaphern und Geschichten
Die Exploration von Ausnahmen zum Problem
Übungen und experientielle Interventionsformen
Systemische Therapeuten glauben an den Wert der Erfahrung. Es werden häufig Interventionen und Techniken eingesetzt, die die Klienten dazu einladen, ihre alten und neuen Erfahrungen im Therapieraum zu erleben und dadurch wirklich eine neue Perspektive zu erfahren. Zeitlinien werden mit Seilen auf dem Boden nachgebildet, Klienten werden gebeten, dem Therapeuten eine lebendige Skulptur ihrer Wut oder ihres Mitgefühls zu zeigen, und Familien werden im Therapieraum mit kleinen Figuren auf einer “System”- oder “Familien”-Tafel dargestellt.
Dabei werden die Neugier des Klienten und des Therapeuten und die Therapie zu einer wesentlichen Ressource im Prozess der Heilung und der Suche nach neuen Lösungen. Hier sind einige Beispiele für erfahrungsorientierte Interventionen und Techniken:
Hausaufgaben
Hausaufgaben sollen zwischen den Sitzungen erledigt werden und dienen dazu, den Lernprozess in Gang zu halten und das Neuerlernte in den Alltag zu übertragen.
Beispiele für Hausaufgaben sind Rituale (z.B. einen Brief oder Liste schreiben und brennen), Selbsthypnose-Übungen und Meditationen, Beobachtungsaufgaben (z.B. welche Aktivitäten tragen dazu bei, dass Sie sich müden fühlen, bei welchen tanken Sie auf?), Vorhersageaufgaben (z.B. Wie intensiv wird morgen Ihr Glücksgefühl auf einer Skala von 0 bis 10 sein?) usf.
Skulpturen und Aufstellungen
Skulpturen und Aufstellungsarbeit schafft die Möglichkeit Beziehungen (in der Familie, bei der Arbeit, in der Schule usw.) als Standbild aus Personen oder Gegenständen im Raum zu visualisieren. Das sogenannte „Systembrett“ oder „Familienbrett“ wird hier zu diesem Zweck auch von systemischen TherapeutInnen verwendet. Das Systembrett ist ein Holzbrett, auf dem kleine Figuren aufgestellt werden, um Beziehungen zu veranschaulichen.
Das Genogramm
Das Genogramm ist eine graphische Darstellung einer Familie (wie ein Familienbaum), die (meistens auf einem Flipchart) aufgezeichnet wird, um Familienbeziehungen, wiederkehrende Konstellationen (Muster) und Familiengeschichten darzustellen und anschließend zu analysieren.
Hypnosystemische Therapie und Coaching
In der hypnosystemischer Therapie und in dem hypnosystemischem Coaching werden systemischen Ansätzen durch den den Einsatz von klinischer Hypnose und Hypnotherapie ergänzt. Dabei werden unter anderem folgendes erzielt:
- Die Vermittlung von Entspannungsübungen zur Regulierung von schwierigen Emotionen, wie etwa Angst, Panik, Wut
- Das Phantasieren von Zielbildern und die imaginative Einübung von neuen Fähigkeiten
- Den Zugang zu verdrängten Emotionen, Kreativität, unbewussten Ressourcen und Fähigkeiten
- Schmerzkontrolle
- [Bei kreisenden Gedanken, die Anregung neuer Perspektiven und die Lösungssuche im Gange zu setzen
Mehr Informationen über Hypnose und hypnosystemische Therapie können Sie hier finden:
Einladungen an Familienmitglieder oder Freunde mitzukommen
Manchmal macht es Sinn, Personen einzuladen, an einzelnen Sitzungen oder Therapiephasen teilzunehmen. Beispiele: Wenn eine Depression viel mit Unzufriedenheit in einer Ehebeziehung zu tun hat, dann ist es sinnvoll den Partner einzuladen; wenn sich eine Essstörung durch das Ringen um Kontrolle und Einfluss zwischen Mutter und Tochter verschlimmert, dann macht es Sinn die Mutter zu einer Sitzung mit ihrer Tochter einzuladen.
Themen für systemische Therapie/Coaching
Systemische Therapie und systemisches Coaching sind besonders geeignet, wenn Symptome bzw. Beschwerden mit Beziehungsproblemen und Konflikten zu tun haben. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass diese Ansätze aber auch für ein breites Spektrum an Störungen und Beschwerden effektiv ist.
Die Methoden der systemischen und hypnosystemischen Therapie kann auch im Bereich Business-Coaching eingesetzt werden. Business-Coaching verstehe ich als Beratung für Einzelpersonen und Teams in Bezug auf Problemstellungen des beruflichen Kontextes, wie etwa Konflikt, Überforderung, Sinnfindung, Spannungen innerhalb der Organisation, Mobbing usw.
Mehr Informationen können Sie hier finden: