Folgt man den von der WHO 1997 veröffentliche Schätzungen („Global burden of disease studies“) zum Thema globaler Mortalitäts-, Morbiditäts- und Behinderungsstatistik bis 2020 kann man eine eindeutige Tendenz zum Krankheitswandel erkennen.
Unter Kinder und Jugend sind beispielsweise die Spitzenreiter der Krankheiten heute Atemwegsinfektionen, Durchfall und Säuglingskrankheiten. Die derzeitige Tendenz weist auf, dass in 30 Jahren diese Krankheiten durch Herzerkrankungen, Depressionen und Autounfälle verdrängt sein werden.Ein Grund für die steigende Tendenz zu Autounfällen ist die steigende Zahl von Autos in der Welt. Man kann im Allgemeinen sagen, wenn sich die Umwelt ändert, dann ändern sich auch die Krankheiten. Erst wenn es eine Verfügbarkeit von Drogen gibt, ist es möglich, dass Menschen drogensüchtig werden und sich davon erkranken können.
Noch ein Beispiel: Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Bauarbeiter den höchsten Krankstand und Büroarbeiter den niedrigsten. Diese Tatsache hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass es um die Jahrhundertwechsel viel weniger Büroarbeiter gab und dass ihre Arbeitsbedingungen verhältnismäßig viel besser waren. Heute hat sich dies anhand neuer Umweltbedingungen verändert: viel mehr Menschen sind heutzutage in „Innen“-Berufen tätig (wegen der massiven globalen Expansion der Service- und Dienstleistungsbranche) und diese Sparte zeigt die höchsten Arbeitsunfähigkeitsquoten auf, sowie die höchste Quote psychischer Erkrankungen. Letzte hat vermutlich mit den Erwartungen von der modernen Leistungsorientierte Gesellschaft zu tun.
Der dritte World Health Report zeigt auch eine klare steigende Tendenz zu psychischen Erkrankungen der reichen Länder der Welt auf: Depressionen stehen an zweiter Stelle, Alkoholismus am Platz 4, Demenz am Platz 9 und Psychosen am Platz 12. Dass Demenz eine steigende Tendenz zeit, darf nicht überraschend sein. Die steigende Lebenserwartung und verknüpfte Altersstrukturwandel unserer heutigen Gesellschaft heißt, dass in Deutschland zum Beispiel die Zahl der über 80-Jährigen in den letzten 47 Jahren um 275 % zugenommen hat.
Die Frage warum psychische Krankheiten so hoch platziert sind, ist allerdings nicht so eindeutig zu antworten. Der Begriff „Krankheit“ hat nämlich viel mit des jeweiligen Weltbildes einer Gesellschaft und deren Stand des Wissens zu tun. Erkennt eine Gesellschaft eine Depression nicht als Krankheit aus mangelndem Wissen oder Definitionssache, dann kann sie nicht zu einer Krankheitsstatistik zählen. Es ist deswegen eine valide Frage, ob die steigende Anzahl der Depressiven etwas mit unserer veränderten Wahrnehmung von Krankheit zu tun hat oder ob es eher zum Beispiel mit den immer höheren Anforderungen der modernen Gesellschaft zu tun hat, oder vielleicht könnte es an beiden liegen. Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Vor hundert Jahren hat keine von Burnout Syndrom geredet – heißt es dann, dass keine vor hundert Jahren von Burnout betroffen wurde, oder ist nur zu einem modernen „Modewort“ für eine alte Last geworden?
Psychotherapeut (systemische Familientherapie), Paartherapeut (ICEEFT), Senior Coach Coach (ACC, IOBC), Hypnotherapeut, Traumatherapeut. Mitglied des Lehrkörpers bei diversen österreichischen und internationalen Fachtagungen sowie Author von diversen Artikeln und Beiträgen in Büchern.
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